Digital Leadership im Vertrieb
Interview mit Romy Kopsch (Business- und Organisationscoach sowie Führungskraft)
Zum Beispiel beraten wir unsere Kunden häufig nicht mehr vor Ort. Wir müssen also klären: Wie können wir über virtuelle Kommunikationskanäle eine stabile Beziehung zu unseren Kunden aufbauen, die wir bisher im persönlichen Gespräch begeistern konnten?
Ein anderes Thema ist der Wunsch der Kunden nach individuellen Produkten. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern müssen selbstständig kreative Lösungen finden und ein tiefes Know-how rund um die Produkte besitzen. Diese Lösungs- und Produktkompetenz muss immer wieder geschult werden, um mit den permanenten Veränderungen Schritt halten zu können.
3. Redaktion:
Romy Kopsch:
Egal ob wir introvertiert oder extrovertiert, beziehungsorientiert oder aufgabenorientiert sind – wir können Führungskräfte sein, die ihre Teams maximal vorwärts bringen. Allerdings wird es je nach Zusammensetzung der Persönlichkeitsausprägungen unterschiedliche Themen geben, auf die wir achten sollten.
Ein kurzes Beispiel: Ich persönlich liebe die Veränderung und probiere immer etwas Neues im Team aus: die Aufgabenverteilung wird geändert, ein innovatives Meetingformat ausprobiert, die Produkte umgestellt. Obwohl dieser Wille zur Veränderung in der digitalen Transformation vorteilhaft ist, muss ich darauf achten, dass ich das Team mit den vielen Impulsen nicht verunsichere oder die Arbeitsqualität damit reduziere.
Andere Führungskräfte gehen stetiger mit ihrem Team um, haben jedoch vielleicht Schwierigkeiten unter Druck, schnell Entscheidungen zu treffen. Daher gilt: Kenne Dich selbst und arbeite authentisch mit Deinem Team. Dann weiß das Team immer, woran es ist und kann entsprechend damit umgehen.
4. Redaktion:
Wir sollten mit unseren Einschätzungen vorsichtig sein. Ich verhalte mich im angespannten Zustand anders als im entspannten. Ich verhalte mich bei meiner Familie oder mit meinen Freunden anders, als wenn ich mit meinem Chef oder dem Team zusammensitze. Daher Achtung: Schubladen und Wertungen vermeiden!
Wenn wir diesen Hinweis verinnerlichen, können wir erste Einschätzungen erhalten, wenn wir uns das Redetempo, Inhalte und den Redenanteil in einer Konversation anschauen. Extrovertierte Menschen reden eher schnell und ohne Pause, introvertierte Menschen eher langsam und überlegt. Aufgabenorientierte Menschen fühlen sich wohl, wenn sie mit Zahlen und Informationen arbeiten können. Beziehungsorientierte Menschen brauchen den Austausch mit anderen Personen und die Gemeinschaft, wobei der Inhalt auch mal nebensächlich sein kann
Tatsächlich ist ein Persönlichkeitstest für Führungskräfte sinnvoll, um ein Bewusstsein für das eigene Wirken zu entwickeln. Gleichzeitig kann ein Persönlichkeitstest auch für das Team im Rahmen einer Teamentwicklung zielführend sein, um Verständnis für die unterschiedlichen Arbeitsweisen zu erhalten.
5. Redaktion:
Wir müssen klar auf die Bedürfnisse der Menschen schauen. Menschen mit einer hohen Ausprägung auf „gewissenhaft“ schätzen ausführliche, sachliche und detaillierte Informationen. Gerne schriftlich, gerne formal. Smalltalk und privater Austausch wird hingegen skeptisch betrachtet und nicht gefordert. Führungskräfte tun gut daran, diese Bedürfnisse zu beachten.
Habe ich als Führungskraft selber eine starke Ausprägung auf dem Merkmal „gewissenhaft“, sollte ich prüfen, ob meine Kommunikation prägnant ist und sich nicht zu sehr in Details verliert. Weiterhin sollte ich mir bewusst Zeit nehmen, mich mit den Teammitgliedern auch informell auszutauschen.
Auch alle weiteren Aspekte lassen sich so betrachten: Was benötigt meine Mitarbeiterin und mein Mitarbeiter, um motiviert und effizient arbeiten zu können? Worauf muss ich bei meinem Wirken achten, um dem Team den maximalen Support zu geben?
6. Redaktion:
Schwierig wird die Zusammenarbeit, wenn wir uns in „kleinen Vier-Augen-Absprachen“ verlieren, welche intransparent über Chat und Videocall abgehalten werden. Stattdessen braucht es den gemeinsamen Austausch und die gemeinsame Entscheidungsfindung. In virtuellen Räumen können 50 Personen und mehr zusammengeholt werden und mit einem klaren Bekenntnis zum Konsens findet man zusammen Lösungen, hinter denen jeder Beteiligte steht.
Was mich besonders freut ist die Tatsache, dass digitale Zusammenarbeit immer selbstverständlicher wird. Man muss nicht immer quer durch das Land fahren, um gemeinsam an einem Tisch zu sitzen. Jedes Teammitglied kann sich ohne Reiseaufwand an Projekten, Entscheidungen und Workshops beteiligen. Dadurch können junge Eltern und Menschen mit körperlichen Handicaps viel besser integriert werden.
Wir haben zwar noch eine weite Reise vor uns, bis wir von Gleichberechtigung sprechen können. Die ersten Schritte liegen jedoch bereits hinter uns.
Redaktion:
Vielen herzlichen Dank für das interessante Interview, Frau Kopsch!