Resilienz und Emotionen (Beitrag von Nicola Malkmus)

Eine Klientin sagte neulich: So unlieb mir das Thema auch war, hätte ich ihm doch einfach von Anfang an ins Auge geschaut und es gelöst, anstatt erst Monate lang all diese Energie dafür aufzubringen es auf tausend Arten zu vermeiden und mich abzulenken.

 

Foto: Karolina Krausser

 

Oft ist es tatsächlich so, dass es uns unterm Strich viel weniger kostet mit belastenden Themen und Situationen umzugehen, als Vermeidungsstrategien zu fahren.

Denn das Ergebnis letzterer ist zum einen, dass bestimmte Bereiche des Systems langfristig darunter leiden, wenn Probleme nicht gelöst werden. Wie Kopfschmerzen, die aufgrund eines ungelösten Problems mit den Augen entstehen. Oder Hüftprobleme durch eine Schonhaltung. Und zum anderen, dass wir unsere eigene Belastung damit selbst so lange steigern, bis wir nicht mehr anders können als der Sache am Ende doch ins Auge zu sehen.

 

Herausfordernde Emotionen haben viel Potential. Denn sie setzen die notwendige Energie frei, in Bewegung zu kommen und etwas zu ändern was uns belastet. Sie mobilisieren uns. Wir können uns dann entscheiden, gegen diese Welle anzuschwimmen, oder sie zu surfen.

 

Die Schwierigkeiten, die herausfordernde Emotionen vielen Menschen machen, sind vor allem, dass man sie erstmal aushalten muss. Hinzu kommt dann vielleicht die Befürchtung, dass wenn man eine belastende Emotion anerkennt, sie dadurch erst „wahr“ wird. Oder übermächtig. Und dass sie uns dann überrennt und wir ihr ausgeliefert sind. Oder wir, wenn wir uns ihr stellen, die Box der Pandora öffnen und die Kontrolle verlieren.

Das entspricht natürlich gar nicht nicht der Realität. Wir lernen aber von Kindheit an, herausfordernde und belastende Emotionen zu diskreditieren. Und nicht etwa, weil das der beste Umgang damit ist, sondern weil in den meisten Fällen unsere Eltern und unser Umfeld
genauso wenige – oder noch weniger – Fähigkeiten hatten, mit ihren eigenen herausfordernden Emotionen umzugehen. Und wenn das Kind dann welche zeigt, ist das eine Doppelbelastung: eine geliebte Person zeigt belastende Emotionen und man selbst
erlebt auch noch welche. Eine altbekannte Strategie ist dann, sie „weg zu machen“ mit „Ist doch nicht so schlimm.“ oder auch mit Eis. Oder anderen Ablenkungen. Natürlich sind Ablenkungen nicht immer schlecht und auch eben genannte Reaktionen in bestimmten
Situationen völlig fein.

Selbstfürsorge oder Fürsorge für andere bedeutet auch, da hinzuschauen, wo Dinge sind, die uns gut tun, und die uns helfen zu heilen.

Wir können also erstmal anerkennen, dass es total verständlich ist, dass wir oft versuchen, belastende Emotionen wegzuschieben, zu verdrängen, nicht wahrzunehmen, unsabzulenken, uns in Sport, Arbeit, feiern oder Serienmarathons zu stürzen. Nachhaltig ist es aber nicht. Gesund auch nicht. Und es ist definitiv nicht resilient.

 

Ein weiterer Punkt ist, dass unser effizientes System danach entscheidet zu welchem Grad uns Dinge bewusst werden, wie gut unsere Fähigkeiten zur Selbstregulierung sind. Das ist teilweise auch situativ bedingt. Erleben wir zum Beispiel etwas sehr belastendes, vielleicht sogar diverse schwer verdauliche Emotionen auf einmal, die in ihrer Gesamtheit und Intensität von uns nicht reguliert werden können, wird dieses Erlebnis wahrscheinlich eher verdrängt.

Was uns zu einem weiteren wichtigen Punkt bringt: Was genau sind denn herausfordernde Emotionen? Emotionen bestehen aus einem Gefühl, z.B. Freude oder Wut sowie einer körperlichen Reaktion, z.B. lachen, weinen, beschleunigtem Herzschlag und Denkvorgängen, z.B. interpretieren oder vergleichen.

Kein Wunder also, dass Emotionen so viel Kraft haben können, denn sie sind vielschichtig und auf mehreren Ebenen gleichzeitig spürbar. Und noch klarer wird es, wenn wir uns die Grundgefühle anschauen: Ärger/Wut, Schmerz, Angst, Traurigkeit, Freude. Davon sind fast alle aus der herausfordernden Kategorie. Genauso, wie wir nicht nicht denken können, können wir auch nicht nicht fühlen. Wir können aber lernen, die Intensität unserer Gedanken und Emotionen zu regulieren.

 

Was uns resilient macht, ist immer besser darin zu werden, mit herausfordernden Emotionen umzugehen

Denn in vielen downs sind die schwierigen Emotionen das, was diese Phase besonders erschwert: Wäre es „nur“ der Verlust eines Jobs, was uns aber emotional gar nicht tangieren würde, vielleicht weil wir sowieso gerade bessere Optionen in Sicht haben und es uns daher keine Angst macht, wäre das Problem nur halb so groß. Oder sogar weniger als das. Was bedeutet also mit schwierigen Emotionen umgehen können?

 

  • Erstmal bedeutet es schwierige Emotionen aushalten zu können. Wahrnehmen, dass man traurig ist, ohne versuchen in Ausweichmanöver zu geraten oder es woanders rauszulassen. Was brauchen wir dazu? Strategien zur Selbstfürsorge: zum Beispiel eine Liste von Dingen die uns guttun.
  • Es bedeutet auch, sich zu fragen: Ich habe im Feedbackgespräch mit meinem Chef angefangen zu weinen. Heißt das ich bin traurig? Oder ist hinter der erlebten Emotion noch was anderes versteckt? Zum Beispiel eine verdeckte Wut, die ich aufgrund meiner Muster nicht ausdrücken konnte. Was ist das zugrunde liegende
    Gefühl?
  • Was will mir das Gefühl sagen? Emotionen und Gefühle sind immer Nachrichten von uns an uns selbst. Ärger und Wut werden zum Beispiel oft von einem Bedürfnis nach Abgrenzung ausgelöst. Und wenn wir unser Bedürfnis stillen, dann vergehen diese Gefühle auch wieder. Denn sie haben dann ihre Aufgabe erfüllt. Auf diese Art haben wir die Möglichkeit, die Situation zu beeinflussen. Indem wir beeinflussen, wie es uns geht. Und uns dabei helfen, das umzusetzen, was das Gefühl für uns sicherstellen will.
  • Uns in der Zwischenzeit gut um uns selbst kümmern. Wissen, was uns in schwierigen Phasen hilft und unseren Herausforderungen, statt mit Vermeidung und Ablehnung mit Annahme und Verständnis zu begegnen. So, wie wir es bei unserer besten Freundin oder einem Kind tun würden.
  • Die belastende Situation aus diesem stabilisierten Zustand heraus betrachten und Aspekte finden, auf die wir einwirken können. Auch wenn wir die Gesamtsituation oft nicht ändern können, zum Beispiel dass wir unseren Job verlieren, können wir auf Aspekte dessen einwirken. Zum Beispiel gestalten, wie wir Abschied nehmen. Und darauf, wie es uns damit geht. Wir können uns die aktuelle Situation und unsere Handlungsoptionen anschauen und dann proaktiv statt reaktiv handeln. Schritt für Schritt.
  • Dann gehen wir gestärkt aus der Phase hinaus, denn wir waren in charge. Wir wurden nicht herumgewirbelt von teils unterdrückten Emotionen, die in unserem System auch dann wirken, wenn wir sie nicht bewusst wahrnehmen. Wir habenselbst am Steuer gesessen während der Turbulenzen. Das gibt uns ein Gefühl von Selbstwirksamkeit. Sich selbstwirksam fühlen, ist einer der wichtigsten Bestandteile von Resilienz!

 

Diese Klientin vom Anfang – sie ist jetzt viel resilienter. Denn sie hat bewusst die Erfahrung gemacht, dass ihre herausfordernden Emotionen eine wichtige Nachricht sind. Und dass sie durchaus damit umgehen kann! Sie ist gestärkt aus der Situation herausgegangen. Mit dem Bewusstsein darüber wird sie in der nächsten schwierigen Phase ganz andereHandlungsspielräume haben. Und sich viel sicherer und selbstwirksamer fühlen. Und noch mehr in der darauffolgenden und wieder mehr in der herausfordernden Situation danach.

 

Informationen zu Nicola Malkmus:

Nicola Malkmus arbeitet seit 2017 als Coach. Ihre Schwerpunkte sind Resilienz und Regeneration, das Begleiten von Veränderungsprozessen und Selbstwirksamkeit. Sie arbeitet in Einzelsessions und gibt in Workshops zu Themen wie Resilienz, Stress- und Emotionaler Agilität oder Journaling. Sie ist zertifizierter Hypnose Coach und Clinical Hypnosis Practitioner und macht gerade eine zusätzliche Ausbildung als Beraterin in Transaktionanalyse.

 

Weitere Informationen:

https://www.nicolamalkmus.com/

[email protected]

 

Quellen:
Die Psychotherapie der Emotionen - Reinhard Plassmann / 2019
Ressourcenorientierte Transaktionsanalyse – Kessel, Raeck, Verres / 2021

 

 

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