Die Kunst der effizienten Gedächtnis- und Lerntechnik
Interview mit André Huber
Man hat etwas gelernt, aber im richtigen Moment kommt man einfach nicht mehr drauf, wie die richtige Vokabel heißt. Dieses unangenehme Gefühl kennen sicher viele Menschen. In anderen Momenten wiederum müssen wir nicht mal versuchen, uns an etwas zu erinnern, sondern es fällt uns wie von selbst ein. Woher kommt das?
Heute tauchen wir mit André Huber, Experte für Gedächtnistraining und Autor zahlreicher Audiotrainings, noch mal etwas tiefer in das Phänomen unseres Gedächtnisses ein.
André Huber:
Guten Tag. Wichtig zu wissen ist, dass ich keinerlei medizinische oder psychologische Wurzeln habe. Ich komme aus dem Finanzbusiness. Und ja, es war an einem Freitagabend vor rund 20 Jahren. Ich kam mit dem Flieger in Zürich an und suchte im ganzen Parkhaus mein Auto. Ich wusste nicht mehr, auf welchem Deck ich dieses parkiert hatte. Nach einer Dreiviertelstunde der Suche griff ich in meine Hosentasche und fand… ein Zugticket. Ich war dieses Mal mit der Bahn zum Flughafen gefahren.
An diesem Wochenende fragte ich mich, ob mit meinem Gehirn etwas nicht in Ordnung sei. Ich forschte nach und fand viele Antworten, welche bis zurück zu den alten Griechen reichten. An diesem Wochenende begann für mich die abenteuerliche Reise in die Windungen unserer 100 Milliarden Neuronen. Denn auch als Geschäftsmann sollte man eine Rede aus dem Kopf halten können, sich Umsatzzahlen merken oder Kundennamen abspeichern können.
So begann ich eine zeitgemäße Technik zu erarbeiten, mit der jeder, seien es Schüler/Innen, Studierende oder Geschäftsleute, ihr Gedächtnis auf ein Höchstlevel bringen können. Und je länger ich mich mit dieser Thematik auseinandersetzte, desto mehr Zeit investierte ich in die Entwicklung einer einfachen und gut funktionierenden Merk- und Lerntechnik. Irgendwann wurde daraus mein „neuer“ Beruf als Seminarleiter, Speaker und Trainer.
2. Redaktion:
Sprachliche Inhalte kann ich mir zum Beispiel selbst recht gut merken, aber Geburtstage und andere Daten sind für mich eher schwer abrufbar. Gibt es sowas wie verschiedene Gedächtnistypen? Oder warum können wir uns an manche Dinge sehr gut erinnern, während es uns hingegen schwerer fällt, andere zu behalten?
Würde ich Sie bitten, mir Ihr Auto zu beschreiben, was geschähe dann in Ihrem Kopf? Würde eine Produktebeschreibung vor Ihrem inneren Auge auftauchen? 95 Seiten mit technischen Angaben in Arial 12 geschrieben?
Oder schließen Sie die Augen und vor Ihnen erscheint Ihr neuer Audi? Sie sehen die geschwungenen Linien, die silberne Lackierung, riechen den frischen Gummi Ihrer Reifen und im Innern den Duft der Sitze und des Steuerrades. Spüren Sie, wie Sie sich Ihr Körper an den Sportsitz anlehnt und wie Ihre Hände das kühle Ledersteuerrad halten?
Ja, unser Gedächtnis speichert Bilder! Und so ist es auch beim Lernen wichtig, sich abstrakte Begriffe, wie Zahlen, Daten, Fakten und auch Fremdwörter in einfach speicherbare „Kopfbilder“ zu verwandeln, diese abzuspeichern und diese bei Bedarf wieder abzurufen und zurück in die effektiven Grundinformationen zu decodieren.
Und dann ist da noch die Sache mit den Emotionen. Informationen, welche starke Emotionen in Ihnen auslösen, werden fast schon ohne Ihr Zutun abgespeichert. Wissensinhalte, welche Sie förmlich kalt lassen, werden sehr mühsam den Weg in Ihr Gedächtnis finden.
3. Redaktion:
Aktuell befinden wir uns in Deutschland im zweiten Lockdown. Etwas, das mir hierbei persönlich aufgefallen ist, ist: Mein Gedächtnis hat nachgelassen. Gibt es da aus Ihrer Sicht einen Zusammenhang bzw. was kann die Gedächtnisleistung negativ beeinträchtigen?
André Huber:
Und in diesem Kontext verstehe ich unter Lernen nicht zwingend, dass Sie eine neue Sprache lernen müssen. Jede neue Erfahrung, die Sie machen, jeder neue Duft, jedes neue Erlebnis, animiert Ihr Gehirn, neue Neuronenverbindungen herzustellen. Solange ein Gehirn dies tut, bleibt es fit und leistungsfähig (Krankheiten sind natürlich ausgenommen).
Besteht Ihr Leben aber nur noch aus Routinen, wird Ihr Gehirn träge und man hat das Gefühl, dass das eigene Gedächtnis an Leistungsfähigkeit verliert. Gerade jetzt, während dieser Zeit zu Hause, könnte man sich mit Merk- und Lerntechniken beschäftigen und diese vielleicht mit Hilfe eines Onlinekurses erlernen.
4. Redaktion:
Wie funktioniert das Behalten allerdings bei längeren Texten, wie zum Beispiel einer Rede? Ist diese Methode hier auch anwendbar oder muss man auf andere Gedächtnistechniken zurückgreifen?
Das heißt, ich fasse zusammen und komprimiere den Lerninhalt, bis ich sogenannte Schlüsselbegriffe vor mir habe (wie bei der Notiztechnik „Mindmaping“). Diese Schlüsselbegriffe speichere ich dann mit Hilfe einer Merkstruktur in meinem Gedächtnis ab. Lernen bedeutet also, dass ich den Inhalt meiner Rede kennen sollte und unerlässlich ist auch immer die Wiederholung des gelernten Stoffes. Repetitio est mater studiorum.
5. Redaktion:
Wir gehen mal davon aus, dass man hier nicht vorher bewusste Assoziationen oder ähnliches geknüpft hat, um sich den Ablageort zu merken. Gibt es hier auch bestimmte Techniken, um unbewusste Gedächtnisinhalte wieder zu aktivieren?
6. Redaktion:
André Huber:
Gerade beim Fremdsprache lernen geht es um für uns zuerst einmal abstrakte Begriffe. Also verwandle ich ein Fremdwort in ein Bild. Ein Bild muss nicht eine Fotografie oder ein Gemälde sein. Bild ist für mich ein Überbegriff für sinnliche Wahrnehmungen, welche visueller, aber auch auditiver, motorischer, olfaktorischer oder gustatorischer Natur sein können.
Wenn ich mir also ein Bild vorstelle, dann klingt es oft bereits nach der Aussprache des Fremdwortes. In meinem Online-Braintrainingsseminar zeige ich, wie man sich die Namen der U-Bahnlinien von London merken kann. Eine Linie heisst, „Bakerloo“. Also sehe ich mich zu einem „Bäcker“ gehen und einen „Lutscher“ kaufen.
7. Redaktion:
Wie darf man sich denn den Alltag eines Gedächtnistrainers vorstellen bzw. machen Sie selbst regelmäßig Übungen, um ihr Gedächtnis fit zu halten?
André Huber:
Und mein liebstes Hobby ist das Namenmerken. Überall, wo ich fremde Menschen treffe, merke ich mir alle Namen. Das kann übrigens jeder, denn bisher haben Sie das wahrscheinlich nicht „gehirngerecht“ gemacht. Mit drei einfachen Schritten lernen Sie locker auf einer Party 20 bis 30 Personen richtig mit Namen anzusprechen.
Redaktion: Vielen herzlichen Dank für diese spannenden Einblicke, Herr Huber!
Weiterführende Quellen zu Herrn Huber und seinem Angebotsportfolio finden Se übrigens hier: